Bundestag beschließt Modernisierung der Sozialverwaltung
Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. November 2025, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ (SGB-VI-Anpassungsgesetz, 21/1858, 21/2453) beschlossen. Für den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung (21/2634) stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dagegen votierten die Oppositionsfraktionen AfD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Zur Abstimmung lag auch ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vor (21/2638). In zweiter Beratung hatte die Fraktion Die Linke getrennte Abstimmungen über Teile des Gesetzentwurfs beantragt. Den Artikeln 2 (Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), 6 (Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch), 11 (Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch) und 22 (Inkrafttreten) stimmten die Koalitionsfraktionen zu, die Oppositionsfraktionen lehnten sie ab. Dabei ging es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Sozialversicherung. Den übrigen Teilen des Gesetzentwurfs stimmten Union, SPD und Linksfraktion zu, während die AfD und die Grünen auch diese Teile ablehnten. Der Bundestag lehnte in zweiter Beratung einen Änderungsantrag der AfD-Fraktion (21/2636) zu dem Gesetzentwurf ebenso ab wie danach einen AfD-Antrag mit dem Titel „Saisonarbeit in der Landwirtschaft – Zeitgemäße Ausweitung der 70-Tage-Regelung“ (21/1572), zu dem der Ausschuss für Arbeit und Soziales ebenfalls eine Beschlussempfehlung (21/2634) vorgelegt hatte. In beiden Fällen stimmten alle übrigen Fraktionen gegen die AfD-Initiativen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Ziel des Gesetzentwurfs ist die Modernisierung der Sozialverwaltung. Ein leistungsfähiger Sozialstaat setzt laut Bundesregieureng eine effiziente und moderne Sozialverwaltung voraus. Dafür brauche es effektiv gestaltete Verwaltungsverfahren und einen zielgerichteten Einsatz von Ressourcen. Dies könne jedoch nur gelingen, wenn das zugrunde liegende Recht klar und digitaltauglich ausgestaltet ist und weder unnötige bürokratische Vorgaben enthält noch die Rechtsanwendung erschwert. Das geltende Recht erfüllt diese Anforderungen aus Sicht der Regierung „noch nicht ausreichend“. So sei beispielsweise im Bereich der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) die Entwicklung von KI-Modellen und KI-Systemen heute noch nicht rechtssicher geregelt. Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung sähen sich gleichermaßen bei der Bewilligung von Leistungen mit unnötiger Bürokratie und rechtlich komplexen Fragestellungen belastet. Hier bestehe Anpassungsbedarf, um die Leistungsfähigkeit des Sozialstaats zu stärken. Trotz verbesserter Leistungen der Prävention, Rehabilitation und Nachsorge bestehe Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Leistungen zur Teilhabe. Insbesondere Versicherte mit komplexen und langandauernden Unterstützungsbedarfen erlebten häufig Brüche im Rehabilitationsprozess, da eine individuelle abgestimmte, rechtskreisübergreifende Begleitung fehlt. Zur Fachkräftesicherung besteht zudem weiter Handlungsbedarf bei der Arbeitsmarktintegration von Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen. Digitale Transformation, Rechtsvereinfachung, Bürokratieabbau Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung durch eine Reihe von Änderungen die digitale Transformation, die Rechtsvereinfachung und den Bürokratieabbau voranbringen und damit die Leistungsfähigkeit des Sozialstaats stärken. Hierzu gehörten die Entwicklung von KI-Modellen und KI-Systemen durch die Schaffung entsprechender Rechtsgrundlagen; die verwaltungstechnisch erleichterte Rentenfeststellung, indem bei der Berechnung einer Altersrente zukünftig die Entgelte der letzten Arbeitsmonate vor Rentenbeginn stets mit einer Hochrechnung ermittelt werden, und die Aufhebung abgelaufener Übergangsregelungen und sonstiger Bestimmungen. Zudem enthält der Entwurf Regelungen bezüglich der Leistungen zur Teilhabe der gesetzlichen Rentenversicherung: Es soll demnach ein individuelles, personenzentriertes und rechtskreisübergreifendes Fallmanagement der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt werden. Außerdem sollen Förderinstrumente der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgebaut werden. Die zurzeit im Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus)- Förderprogramm „IQ–Integration durch Qualifizierung“ geförderte Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung für Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen soll als Aufgabe auf die BA übergehen. Sie soll dort ebenso wie die derzeit bei der BA in einem Modellvorhaben erprobte Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) für anerkennungssuchende Fachkräfte im Ausland dauerhaft angesiedelt werden. Dadurch sollen Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen dabei unterstützt werden, ihre Qualifikation schnellstmöglich anerkennen zu lassen und im deutschen Arbeitsmarkt einsetzen zu können. Stellungnahme des Bundesrates In seiner Stellungnahme (21/2453) begrüßt der Bundesrat unter anderem die Einführung eines Fallmanagements in der Rehabilitation. Wenn das Fallmanagement „tatsächlich umfassend und qualitativ hochwertig sein soll“, seien mit ihm jedoch zusätzliche Kosten zulasten des Rehabilitationsbudgets verbunden, warnt die Länderkammer und hält es für fraglich, „ob hierfür die vonseiten der Bundesregierung geschätzten Kosten in Höhe von jährlich 30,7 Millionen Euro ausreichend bemessen sind“. Ebenso fraglich sei, ob die aus Sicht der Bundesregierung erwarteten Einsparungen diese Mehrkosten aufwiegen. Bereits ohne dieses Fallmanagement werde das Rehabilitationsbudget von einigen Rentenversicherungsträgern ausgeschöpft oder sogar überschritten und es sei zu befürchten, dass das Budget „auch ohne weitere Aufgaben zukünftig nicht mehr auskömmlich sein wird“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Darin tritt der Bundesrat dafür ein, dass sich die jährliche Anpassung des Budgets für Teilhabeleistungen nicht allein an der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer orientiert, „sondern auch die aktuellen rechtlichen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Entwicklungen ausreichend berücksichtigt“. In ihrer Gegenäußerung schreibt die Bundesregierung dazu sie nehme den Vorschlag zur Kenntnis und beobachte die Ausschöpfung des Reha-Budgets. Antrag der AfD Die AfD-Fraktion forderte in ihrem abgelehnten Antrag (21/1572) die Ausweitung der 70-Tage-Regelung für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. Sie begründete dies unter anderem mit dem aus ihrer Sicht „relativ hohen Mindestlohn“ in Deutschland, der die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe beeinträchtige. „Da gleichzeitig die Qualitäts-, Produktions- und Umweltstandards in Deutschland höher und damit teurer sind, führt dies zu massiven Wettbewerbsnachteilen für die inländischen landwirtschaftlichen Betriebe, die in hohem Maße auf ausländische Saisonarbeitskräfte angewiesen sind. Für die heimischen Erzeuger ist es unter diesen Bedingungen nicht möglich, wirtschaftlich und zukunftsfähig zu produzieren, da sie die höheren Lohnkosten nicht über höhere Preise kompensieren können“, argumentieren die Abgeordneten. Sie forderten deshalb unter anderem die Ausweitung der 70-Tage-Regelung auf eine 115-Tage-Regelung beziehungsweise Fünf-Monate-Regelung. Außerdem sollen kurzfristig Beschäftigte mit einem gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt im Ausland bei einer Tätigkeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohnes ausgenommen werden und nur 70 Prozent des jeweils aktuellen Mindestlohns erhalten. (hau/che/sto/06.11.2025)
