Kein grundsätzliches Nein zu Taser-Einsatz

Experten haben zu größtmöglicher Zurückhaltung beim Einsatz von Tasern bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montag, 13. Oktober 2025, geraten. Ein grundsätzliches Nein gab es indes nicht, als sich die Fachleute mit dem Vorhaben der Bundesregierung zur Einführung von Distanz-Elektroimpulsgeräten (DEIG) – den sogenannten Tasern – bei der Bundespolizei befassten. Auf der Tagesordnung stand der Entwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes“ (21/1502). Warnung von Verharmlosung der Geräte Anja Bienert, Amnesty International – Dutch Section, widersprach nicht grundsätzlich einer selektiven Ausrüstung mit DEIG. Diese müsse jedoch aufgrund einer ausreichend begründeten operativen Notwendigkeit sowie einer gesetzlichen Grundlage mit besonderem Augenmerk auf die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit erfolgen. Taser seien extrem gefährliche Waffen. Eine Verharmlosung der Geräte als unbedenklich oder nur unwesentliche Verletzungen hervorrufend berge das Risiko eines stetig zunehmenden Gebrauchs mit im Laufe der Zeit immer größerer Wahrscheinlichkeit tödlicher Ausgänge. Der DEIG-Einsatz dürfe ausschließlich zur Vermeidung des Schusswaffeneinsatzes zulässig sein. Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamte und die entsprechenden Behörden müssten über die Anwendung von DEIG umfassend Rechenschaft ablegen. Dies solle auch gesetzlich normiert werden. Experte: Einsatz kann eskalierend wirken Prof. Thomas Feltes, Strafverteidiger und Gutachter, erklärte, unstrittig sei, dass Taser töten könnten. Ihr Einsatz eskaliere in bestimmten Fällen die Situation, statt sie zu entschärfen. Die Geräte, die in Deutschland fast glorifiziert würden, sollten nur bei Personen eingesetzt werden dürfen, von denen eine unmittelbare lebensbedrohende Gefahr ausgehe. Taser dürften niemals bei Personen eingesetzt werden, die sich beispielsweise passiv der Verhaftung widersetzten oder lediglich verbal aggressiv seien. Eine entsprechende Regelung sei in das Gesetz aufzunehmen. Der Gebrauch sollte nur dann zulässig sein, wenn auch der Schusswaffeneinsatz zulässig wäre, aber durch den Einsatz eines Tasers vermieden werden könne. Wenn DEIG-Geräte eingeführt würden, müsse damit eine obligatorische Bodycam-Aktivierung verbunden sein. Die technische Möglichkeit dazu bestehe. Risiken bei kardialen Vorerkrankungen Prof. Rüdiger Lessig, Universitätsklinikum Halle (Saale), legte dar, beim Einsatz von DEIG solle ein elektrischer Impuls dafür sorgen, dass es in den betroffenen Muskeln zu unwillkürlichen Kontraktionen und damit zur Handlungsunfähigkeit komme. Verletzungen durch die zwei eindringenden und fixierten Elektroden bewirkten normalerweise keine weiteren etwa operative Maßnahmen. Schwerwiegende Verletzungen seien allerdings möglich, wenn beispielsweise Gesicht oder Genital getroffen würden. Risiken könnten dann bestehen, wenn es schwerwiegende, insbesondere kardiale Vorerkrankungen gebe. Auch könnten psychische Erkrankungen zu schwerwiegenden Komplikationen führen. In der Literaturdatenbank habe er keine belegten Todesfälle gefunden. Für Handlungsanweisungen wäre es nach Meinung des Rechtsmediziners hilfreich, eine EKG-Untersuchung des Opfers vorzuschreiben, damit keine eventuellen Herzrhythmusstörungen übersehen würden. Einordnung als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt Andreas Roßkopf, Gewerkschaft der Polizei, begrüßte, dass ein rechtssicherer Rahmen für den DEIG-Einsatz nach der langjährigen Erprobungsphase geschaffen werden solle. Die Geräte schlössen die sicherheitstaktische Lücke zwischen Pfefferspray mit Wirkung auf vier bis sechs Meter, dem nur für kurze Distanz geeigneten Schlagstock, dem Taser mit Wirkung auf zehn bis 13 Meter und der Schusswaffe. Allerdings entspreche die vorgesehene Einordnung als Waffe nicht dem sachlich besten Weg. Er empfehle die Einordnung als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Dies erlaube eine flexiblere und differenzierte Prüfung der Verhältnismäßigkeit. DEIG verursachten im Gegensatz zu Schusswaffen in der Regel nur geringe körperliche Beeinträchtigungen. Schwere gesundheitliche Schäden träten sehr selten auf. Er schlug quartalsmäßige Schulungen an Tasern vor und sprach sich für eine Dokumentation der Einsätze aus. Positive Erfahrungen bei Erprobung der Bundespolizei Heiko Teggatz, Deutsche Polizeigewerkschaft – Bundespolizeigewerkschaft, befand, die DEIG-Erprobung in den Dienststellen der Bundespolizei sei als durchweg erfolgreich anzusehen. Das sichtbare Mitführen dieses Geräts habe dazu geführt, dass Gewalteskalationen gegenüber Polizistinnen und Polizisten stark zurückgegangen seien. Die Einführung der DEIG bei der Bundespolizei sei absolut richtig. Die Notwendigkeit bestätigten sämtliche Erfahrungsberichte, die dem Bundesministerium des Innern während der Erprobungsphase vorgelegt worden seien. Die vorgesehene Einstufung als Waffe sei kaum zu belegen und sei aus seiner Sicht eher ein Politikum. Angemessen wäre nach seiner Auffassung die Einstufung als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Einstufung als Waffe Prof. Marc Wagner, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, wies darauf hin, dass DEIG von der Polizei in sämtlichen Bundesländern und in Deutschlands Nachbarländern genutzt würden. 14 Bundesländer stuften sie gesetzlich zutreffend und materiell-rechtlich zwingend als Waffe ein. Schwere gesundheitliche Folgen nach einem Taser-Einsatz seien möglich, aber selten. Das Gesetzesvorhaben sei zu begrüßen, weil es eine diametrale Abkehr von der bisherigen rechtsgrundlosen exekutiven Zulassung als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zur Folge habe. Er empfahl, um Tests in Zukunft rechtssicher zu machen, folgende Einfügung in das entsprechende Gesetz: „Einsatzmittel, die Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffen darstellen, können zur Anwendungserprobung zeitlich befristet vom Bundesministerium des Innern zugelassen werden.“ (fla/13.10.2025)