Bundestag stimmt Gesetz zur Befugniserweiterung in der Pflege zu
Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am Donnerstag, 6. November 2025, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ (21/1511, 21/1935, 21/2146 Nr 1.6) in einer vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (21/2641) angenommen. Zur Abstimmung lag den Abgeordneten ein Bericht des Haushaltsausschusses nach Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (21/2642) vor. Die AfD votierte gegen das Gesetz, Grüne und Linke enthielten sich ihrer Stimme. Ein Entschließungsantrag (21/2643) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der unter anderem forderte, die Heilkundeübertragung an entsprechend qualifizierte Pflegefachpersonen voranzubringen, fand keine Mehrheit im Parlament. Anträge von Grünen und Linke abgelehnt Abgelehnt mit den Stimmen von CDU/CSU, AfD und SPD wurden auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Priorität für Pflege – Jetzt Sofortmaßnahmen ergreifen“ (21/583) sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Leistungskürzungen und Beitragsexplosion in Gesundheit und Pflege verhindern – Jetzt gerechte Finanzierung einführen“ (21/344). Für den Grünenantrag stimmte auch Die Linke. Die Grünen wiederum enthielten sich beim Antrag der Linksfraktion. Zu den Abstimmungen hatte der Gesundheitsausschuss eine Beschlussempfehlung (21/2625) abgegeben. Gesetzentwurf der Bundesregierung Pflegekräfte sollen mehr Kompetenzen erhalten und von bürokratischen Aufgaben entlastet werden. Die Herausforderungen der Akut- und Langzeitpflege seien in den nächsten Dekaden im demografischen Wandel begründet, heißt es im Gesetz. Ende 2023 habe die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf bei rund 5,6 Millionen gelegen. Nach der statistischen Pflegevorausberechnung sei zu erwarten, dass die Zahl der Pflegefälle bis 2055 auf bis zu 8,2 Millionen ansteigen werde. Dies führe perspektivisch zu einer steigenden Nachfrage nach Pflegeleistungen. Zugleich wachse der Bedarf an Pflegefachpersonen, an Pflegeassistenzpersonen und Pflegehilfskräften. Pflegeberuf soll noch attraktiver werden Bei den Pflegekräften gingen die Prognosen angesichts des demografischen Wandels von künftigen Engpässen aus, heißt es in der Vorlage weiter. So habe das Bundesinstitut für Berufsbildung 2024 einen Bedarf von 150.000 zusätzlichen Pflegekräften für das Jahr 2040 prognostiziert. Daher müsse die Attraktivität des Pflegeberufs weiter gestärkt werden. Die Stärkung der Pflegefachpersonen und ihrer Befugnisse sei ein wichtiges Ziel, um den Beruf noch attraktiver zu machen und damit gegen den in der Pflege festzustellenden Fachkräfteengpass anzugehen. Um die Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern, sollen die vielfältigen Kompetenzen von Pflegefachpersonen in der Versorgung stärker genutzt werden. Demnach sollen Pflegefachpersonen künftig neben Ärzten eigenverantwortlich weitergehende Leistungen als bisher und, je nach Qualifikation, auch Leistungen erbringen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren. Dies soll zu einer besseren Versorgung, etwa beim Management chronischer Erkrankungen sowie in der Prävention und Gesundheitsförderung, führen. Im Gesetz genannt werden Aufgaben in den Bereichen diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz. Die konkreten Aufgaben von Pflegefachpersonen in der Versorgung sollen in einem sogenannten „Muster-Scope of Practice“ differenziert beschrieben werden. Diese Beschreibung soll Grundlage für weitere Entwicklungsschritte hinsichtlich der leistungsrechtlichen Befugnisse von Pflegefachpersonen werden. Kompetenzen in der Heilkunde Im Pflegeberufegesetz soll der Vorlage zufolge klargestellt werden, dass Pflegefachpersonen im Rahmen der erworbenen Kompetenzen Heilkunde ausüben dürfen. Zugleich wird für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem neuen Paragrafen 15a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V, Krankenversicherung) und parallel in Paragraf 28 Absatz 5 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) festgelegt, dass Pflegefachpersonen bestimmte Aufgaben der ärztlichen Behandlung eigenverantwortlich erbringen dürfen. Ergänzend wird für die beiden Sozialversicherungen (SGB V und SGB XI) grundsätzlich klargestellt, dass die berufsrechtlich geregelten Vorbehaltsaufgaben von Pflegefachpersonen nach dem Pflegeberufegesetz (Pflegeprozessverantwortung) bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Leistungen und der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind. Eigenverantwortliche Leistungen In einem neuen Paragrafen 73d des SGB V können künftig Leistungen der ärztlichen Behandlung, die von Pflegefachpersonen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung oder der häuslichen Krankenpflege eigenverantwortlich erbracht werden dürfen, in einem Vertrag vereinbart werden. Zudem können Leistungen vereinbart werden, die in der häuslichen Krankenpflege von Pflegefachpersonen eigenverantwortlich als Folgeverordnung veranlasst werden können, einschließlich der benötigten Hilfsmittel. Die Regelung sehe abgestufte Umsetzungsmöglichkeiten sowohl für beruflich als auch hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen vor, heißt es. Pflegefachpersonen sollen in der hochschulischen Pflegeausbildung oder über bundesweit einheitliche Weiterbildungen zusätzliche heilkundliche Kompetenzen erwerben können. Antrag der Grünen Die Grünen forderten in ihrem Antrag (21/583) von der Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Pflegeversicherung. Die Finanzlage in dem Versicherungszweig sei so prekär, dass laut Kassen noch in diesem Jahr Zahlungsschwierigkeiten auftreten könnten. Knapp 5,6 Millionen Menschen in Deutschland seien pflegebedürftig und bezögen Leistungen der Pflegeversicherung. Immer mehr pflegende An- und Zugehörige gerieten an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen warteten auf dringend benötigte Hilfe, oft vergeblich, weil Pflegedienste oder -heime die nötige professionelle Unterstützung nicht mehr bieten könnten. Zugleich gerieten Pflegeanbieter in eine finanzielle Schieflage und müssten zum Teil schließen. Somit bestehe dringender Handlungsbedarf, hieß es in der Vorlage. „Pflegeversicherung stabilisieren“ Die Abgeordneten forderten unter anderem, die Pflegeversicherung zu stabilisieren, indem die notwendigen Corona-Mehrkosten zur Verfügung gestellt werden und darauf hinzuwirken, dass die Rentenbeiträge für pflegende An- und Zugehörige aus Steuermitteln erstattet werden. Zudem müssten Initiativen ergriffen werden, um Insolvenzen von Pflegeanbietern zu stoppen. Das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz sollten zusammengeführt und auf die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende An- und Zugehörige hingewirkt werden. Antrag der Linksfraktion Die Linksfraktion forderte eine langfristig solide und sozial gerechte Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV), um Leistungskürzungen und eine Beitragsexplosion zu verhindern. Dazu müsse die Einnahmebasis konsequent nach dem Solidaritätsprinzip reformiert werden, hieß es in ihrem Antrag (21/344). Die Finanzen von GKV und SPV steckten in der Krise. Es habe in den vergangenen Monaten beispiellose Erhöhungen der Zusatzbeiträge gegeben. Obwohl die Dringlichkeit für eine Reform allgemein bekannt sei, packe die Koalition das Problem nicht an und vertage es. So wolle die Koalition eine Kommission einsetzen, die bis 2027 Reformen vorschlagen solle. Auch die Pflegeversicherung sei so defizitär, dass eine Pflegekasse bereits gestützt werden musste. Die Abgeordneten forderten unter anderem, die Beitragsbemessungsgrenze auf 15.000 Euro anzuheben und perspektivisch abzuschaffen. Die Versicherungspflichtgrenze solle entsprechend angepasst oder aufgehoben werden. Die Zuschüsse des Bundes an die Krankenkassen für Bürgergeldbezieher sollten auf neuer Grundlage berechnet werden, um die jetzige Unterdeckung auszugleichen. Ferner sollte der Bundeszuschuss an die GKV entsprechend den veränderten Ausgaben dynamisiert werden. Bei drohenden Beitragssatzerhöhungen in GKV oder SPV müsse dies durch eine Anhebung des Bundeszuschusses verhindert werden, hieß es. Perspektivisch sollten bei allen Versicherten alle Einkommensarten beitragspflichtig werden. Auf längere Frist sollten dem Linken-Antrag zufolge die Privatversicherten vollständig in GKV und SPV integriert, die private Krankenversicherung (PKV) damit als Vollversicherung abgeschafft und eine Pflegebürgervollversicherung eingeführt werden. (pk/hau/06.11.2025)
