Unterstützung für Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften
Die Anpassungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) werden von Gesundheitsexperten unterstützt. Die von der 77. Weltgesundheitsversammlung angenommenen Änderungen der IGV seien wichtig, um bei einer neuerlichen Gesundheitsnotlage schnell und angemessen reagieren zu können, erklärten Sachverständige am Montag, 13. Oktober 2025, bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Gesetzentwurf zu den Änderungen vom 1. Juni 2024 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) vom 23. Mai 2005 (21/1508, 21/1905), mit dem die Bundesregierung die Voraussetzungen für die völkerrechtliche Bindung Deutschlands an die IGV schaffen will. Pandemische Notlage als neue Alarmstufe Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) begrüßte den Ansatz, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ihre IGV-Regularien als zentrales, völkerrechtlich bindendes Instrument zur Bewältigung grenzüberschreitender Gesundheitsrisiken zu stärken. Ein wesentliches Element der Reform sei die Einführung einer neuen Alarmstufe, der sogenannten pandemischen Notlage. Diese Zwischenstufe ermögliche bereits vor einer Pandemie eine breite Reaktion. Zentral sei ferner die Vorgabe, dass bei einem Ereignis die Würde der einzelnen Person gewahrt werden müsse und die Werte „Gerechtigkeit“ und „Solidarität“ zu beachten seien. Die Vorbereitung auf eine Anwendung der IVG erfordere jedoch mehr als eine rein formalistische Anpassung bestehender Gesetze. Sie verlange eine Fortsetzung bereits eingeschlagener Wege zur Verbesserung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und eine Neuausrichtung in den Entscheidungs- und Führungsstrukturen. „Internationale Versorgungsketten aufrechterhalten“ Ganz ähnlich äußerte sich der Deutsche Caritasverband. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie relevant die Einführung des Begriffs „pandemische Notlage von nationaler Tragweite“ in das Infektionsschutzgesetz (IfSG) für eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie gewesen sei. Mit Blick auf autokratische Regierungen erklärte die Caritas weiter, das mit den neuen IGV-Vorschriften eingeführte Gebot für die WHO, andere Vertragsstaaten zu informieren, sofern ein Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Gesundheitsgefahr bestehe, eine Zusammenarbeit ablehne, könne in seiner Auswirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Von zentraler Bedeutung sei zudem die Aufrechterhaltung internationaler Versorgungsketten im Pandemiefall. Das gelte für Lebensmittel ebenso wie für Masken oder Impfstoffe. „Informationsaustausch erforderlich“ Dr. Pedro Alejandro Villarreal Lizárraga von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erinnerte daran, dass die geänderten IGV von einigen Staaten aus Prinzip abgelehnt würden, darunter die USA, Italien und Argentinien. Dies könne zu Lücken beim Informationsaustausch führen. Damit die WHO ihren Aufgaben wirksam nachkommen könne, sei ein Informationsaustausch sowohl zwischen staatlichen als auch nichtstaatlichen Akteuren erforderlich. Daher sollten künftige Bemühungen darauf abzielen, der WHO Daten aus dem Privatsektor weiterzuleiten, soweit das erforderlich sei, um abzuschätzen, welche Kapazitäten für die Entwicklung „maßgeblicher Gesundheitsprodukte“ vorhanden sind. „Rückgrat der globalen Gesundheitssicherheit“ Der Sozialmediziner und Leiter des Gesundheitsamtes in Frankfurt am Main, Privatdozent Dr. Peter Tinnemann, erklärte, die IGV seien in der Vergangenheit ein entscheidendes Instrument zur Eindämmung von Krankheitsausbrüchen gewesen und bildeten heute das Rückgrat der globalen Gesundheitssicherheit, indem sie die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten definieren. Befürchtungen, die Nationalstaaten könnten gegenüber der WHO an Souveränität verlieren, seien unbegründet. Die Vertragsstaaten übertrügen der WHO keinerlei Befugnis, den nationalen Regierungen Initiativen vorzuschreiben, wie etwa Lockdowns oder Impfpflichten. Die WHO spreche lediglich Empfehlungen aus. Die Vertragsstaaten behielten ihr souveränes Recht, die Gesundheitspolitik nach eigenen Gesetzen zu gestalten. Auf diesen Punkt gingen in der Anhörung auch andere Sachverständige wie etwa Villarreal ein, die übereinstimmend deutlich machten, dass die Einzelstaaten durch die IGV nicht in ihrer Souveränität eingeschränkt werden. „International abgestimmtes Vorgehen unumgänglich“ Einige Sachverständige erinnerten zugleich daran, dass eine weitere Gesundheitsnotlage jederzeit auftreten kann und ein international abgestimmtes Vorgehen unumgänglich wäre. Prof. Dr. Dr. Till Bärnighausen vom Universitätsklinikum Heidelberg sagte, die nächste Pandemie werde voraussichtlich nicht in Deutschland entstehen, sondern vermutlich eher in Südostasien, Zentralafrika oder im nördlichen Lateinamerika. Je schneller das Problem dann vor Ort definiert werde und Informationen global weitergegeben würden, umso eher sei ein Schutz auch in Deutschland möglich. Die Macht der WHO sei die Expertise und die globale Normsetzung, die WHO greife aber nicht exekutiv in die Souveränität eines Landes ein. Jährlich rund 400 Risikosignale bei der WHO Ein Sprecher des Verbandes Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) sagte in der Anhörung, jährlich gingen bei der WHO rund 400 Risikosignale von möglichen grenzüberschreitenden Infektionsproblemen ein. Diese Hinweise würden von der WHO bewertet, kommuniziert und mit internationalen Fachleuten besprochen. Dafür sei die WHO unabdingbar. Das mache auch deutlich, wie sehr der Schutz in Deutschland davon abhänge, dass es solche internationalen Strukturen gebe. „Problematischer Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung“ Nach Ansicht des einzelsachverständigen Rechtsanwalts Philipp Kruse hat die WHO während der Corona-Pandemie auch auf problematische Weise Einfluss genommen auf die öffentliche Wahrnehmung. Zudem würden bis heute keine Anstrengungen unternommen, der möglichen menschengemachten Ursache der Pandemie auf den Grund zu gehen. Ein weiteres Problem sei der große Anteil an freiwilligen Beiträgen für die WHO mit einer Zweckbindung der Sponsoren. Es liege auf der Hand, dass hier Einfluss genommen werden könne. Die Zweckbindung werde aber nicht offengelegt und sollte überprüft werden. (pk/13.10.2025)