Parlament berät Ini­tiativen zur Be­kämpfung von Anti­semitismus

Der Bundestag hat sich am Freitag, 12. April 2024, mit mehreren Initiativen der CDU/CSU zur Bekämpfung von Antisemitismus befasst. Zwei Gesetzentwürfe, die die Union zum Thema eingebracht hatte, wurden im Anschluss an die Debatte mehrheitlich abgelehnt. Ihr erster Entwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze“ (20/9310) fand bei keiner anderen Fraktion Unterstützung. Der zweite „zur Beendigung des Aufenthalts und Verhinderung der Einbürgerung antisemitischer Ausländer“ (20/9311) wurde bei Enthaltung der AfD mit dem ansonsten identischen Stimmverhältnis abgelehnt. Zur Abstimmung hatten der Rechtsausschuss (20/11003) respektive der Ausschuss für Inneres und Heimat (20/10996) Beschlussempfehlungen abgegeben. Zwei Anträge der Union mit den Titel „Historische Verantwortung wahrnehmen – Jüdisches Leben in Deutschland schützen“ (20/10984) und „Nie wieder ist jetzt – Antisemitismus an Schulen, Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit aller Kraft bekämpfen“ (20/10973) wurden im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse überwiesen. Die erste Vorlage wird im federführenden Innenausschuss beraten, die zweite im federführenden Bildungsausschuss. Gesetzentwürfe der Union Mit dem ersten abgelehnten Entwurf (20/9310) reagierte die Union der Vorlage zufolge auf den Anschlag der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, der die Bedrohungslage für jüdische Bürger auch in Deutschland verschärfe. Es sei unerträglich und nicht hinnehmbar, dass der Hamas-Terrorismus und Antisemitismus bejubelt und propagiert, auf Demonstrationen das Existenzrecht Israels öffentlich geleugnet beziehungsweise zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird. Wie die Fraktion schrieb, weist das StGB diesbezüglich Schutzlücken auf. Im Einzelnen handele es sich hierbei um Landfriedensbruch, Sympathiewerbung und Volksverhetzung. Dem zweiten Entwurf (20/9311) zufolge sollten „zum besseren Schutz vor einer weiteren Verfestigung und Ausbreitung eines aus dem Ausland ‚zugewanderten‘ Antisemitismus“ Änderungen im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht vorgenommen werden. So wollte die Fraktion unter anderem im Aufenthaltsrecht einen neuen Paragrafen einführen, demzufolge eine antisemitische Straftat in der Regel die Ausweisung nach sich zieht. Erster Antrag der Union Die CDU/CSU-Fraktion dringt in ihrem ersten Antrag auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. Die Abgeordneten fordern zugleich die Bundesregierung auf, innerhalb der internationalen Organisationen und der Europäischen Union mit Nachdruck dafür einzutreten, „dass der Staat Israel, sein legitimes Recht auf Selbstverteidigung sowie der Kampf gegen den Terror geschlossen und solidarisch unterstützt werden“. Auch soll sich die Bundesregierung dem Antrag zufolge mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Freilassung der von der Hamas bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln einsetzen sowie „für eine Lösung des Nahostkonflikts auf Grundlage der Zweistaatenlösung unter vollumfänglicher Wahrung israelischer Sicherheitsinteressen“. Zudem soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion Israel „auf Anforderung und unter Berücksichtigung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen“ militärisch – vor allem sanitätsdienstlich, logistisch, mit Aufklärungsmitteln beziehungsweise -ergebnissen und maritimen Fähigkeiten – unterstützen und das Land von exportkontrollrechtlichen Vorschriften für Drittstaaten insbesondere bei Rüstungsgütern ausnehmen. „Umfassendes Sanktionsregime gegen den Iran“ Zugleich plädiert die Fraktion dafür, innerhalb der EU „ein umfassendes Sanktionsregime gegen den Iran und die mit ihm verbundenen Terrororganisationen zu entwickeln“ und durchzusetzen sowie sämtliche Finanzaktivitäten terroristischer Gruppierungen in Deutschland zu unterbinden. Daneben soll die Bundesregierung laut Vorlage mit Ausnahme international abgestimmter humanitärer Hilfen alle direkten und indirekten Zahlungen der EU in die palästinensischen Gebiete stoppen und einer „nachvollziehbaren kritischen Prüfung“ unterziehen sowie die bilaterale staatliche und nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit mit dem Gazastreifen bis zum Abschluss der Überprüfung und Umsetzung erforderlicher Maßnahmen aussetzen. Ferner wird die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert, ein Betätigungs- oder Organisationsverbot der „antisemitischen BDS-Bewegung“ in Deutschland zu prüfen und auf eine Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) und weiterer Zentren hinzuwirken, „die als verlängerte Arme des iranischen Mullah-Regimes bewertet werden“. Des Weiteren spricht sich die Fraktion dafür aus, in den Integrationskursen dem Thema „Antisemitismus“ einen hohen Stellenwert einzuräumen und „zu verdeutlichen, dass Antisemitismus in jeglicher Form mit unserem demokratischen Grundverständnis unvereinbar ist“. Strafrechtliche Ahndung antisemitischer Äußerungen Ebenso soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem „wesentliche, bei den jüngsten antisemitischen Hassdemonstrationen offen zutage getretene Strafbarkeitslücken geschlossen werden“. Dies betreffe insbesondere die verstärkte strafrechtliche Ahndung antisemitischer Äußerungen und der Terrorunterstützung, heißt es in der Vorlage weiter. Darüber hinaus fordert die Fraktion von der Bundesregierung Gesetzentwürfe zum Staatsangehörigkeitsrecht, um die Einbürgerung von Antisemiten und Hamas-Unterstützern zu unterbinden, sowie zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft, „sofern bei Personen mit mindestens einer weiteren Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung antisemitische Einstellungen festgestellt wurden“. Ferner macht sie sich für Anpassungen des Ausländerrechts stark, „damit eine antisemitische Straftat in der Regel zur Ausweisung und eine entsprechende Verurteilung auch zum Verlust eines etwaigen humanitären Schutzes in Deutschland führt“. Zudem tritt die Fraktion dafür ein, „die strategische und militärische Partnerschaft zwischen der Bundeswehr sowie den israelischen Streitkräften weiterzuentwickeln“ und dazu etwa die gemeinsame Durchführung von Übungen zu intensivieren und die Rüstungskooperation zu verstärken. Zu ihren weiteren Forderungen zählen unter anderem die Intensivierung des Jugendaustausches zwischen Deutschland und Israel sowie die Gründung eines Deutsch-Israelischen-Jugendwerks noch in diesem Jahr. Zweiter Antrag der Union In ihrem zweiten Antrag verurteilt die Fraktion Antisemitismus an Schulen, Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen und allen anderen Orten in Deutschland als „völlig inakzeptabel“. Die Gesellschaft als Ganzes samt den in ihrem Auftrag agierenden Institutionen sei gefordert, „jüdisches Leben mit aller Kraft zu schützen“ und Antisemitismus in jedweder Ausprägung den Nährboden zu entziehen. „Jüdinnen und Juden müssen in Deutschland sicher und angstfrei leben können“, heißt es in dem Antrag weiter. Die Bundesregierung wird in der Vorlage aufgefordert, im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) oder der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ein gemeinsames Verständnis zu erreichen, dass Hochschulgesetze so angepasst werden, dass Täter nach einer Verurteilung wegen einer Gewalttat oder wegen Drohung mit Gewalt gegenüber Kommilitonen exmatrikuliert werden können. Regelmäßig müsse damit eine vorläufige Suspendierung vom Studium einhergehen. Ebenso müsse ein gemeinsames Verständnis dazu erreicht werden, dass als Reaktion auf solche Taten oder auf Störungen von Vorlesungen, Vorträgen oder sonstigen Veranstaltungen unverzüglich und wirksam mittels Strafanzeige und Hausverbot gegen die Störer vorgegangen wird. Auch soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge im Zuge der Weiterentwicklung der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern in den Bewertungskriterien ein konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus verankern. Universitäten, die nicht konsequent gegen Antisemitismus vorgehen, sollen nach dem Willen der Fraktion nicht mit Bundesmitteln gefördert werden dürfen. Deutsch-israelischer Austausch Ferner plädiert die Fraktion dafür, unter Federführung der Kultusministerkonferenz und unter Beteiligung aller relevanter Akteure einen Runden Tisch zur Bekämpfung von Antisemitismus in Bildung, Wissenschaft und Forschung einzurichten. In diesem Rahmen sollen laut Vorlage Empfehlungen zur Weiterentwicklung der staatlichen Maßnahmen gegen Antisemitismus erarbeitet und umgesetzt werden. Des Weiteren fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern und im Schulterschluss mit den Mitgliedern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen darauf hinzuwirken, dass Aktivitäten der „Boycott, Divestment and Sanctions“-Bewegung (abgekürzt BDS) in Bildung, Wissenschaft und Forschung wirksam unterbunden werden sowie Unterstützer der BDS-Bewegung in deutschen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen keinen Platz haben. Zudem soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge die Einrichtung eines Instituts für jüdische Gegenwartsforschung sowie Israel Studies unterstützen und darauf hinwirken, dass der deutsch-israelische Austausch von Schülern sowie Auszubildenden und Studierenden insbesondere durch Schul- und Städtepartnerschaften vertieft wird. Darüber hinaus soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion unter anderem gemeinsam mit den Ländern darauf hinwirken, dass alle Schüler in Deutschland „verpflichtend mit ausführlicher Vor- und Nachbereitung mindestens einmal im Laufe ihrer Schulzeit eingebettet in den Unterricht ein ehemaliges Konzentrationslager der NS-Diktatur besucht haben“. (sto/ste/12.04.2024)